Acht Jahre politischer Wandel in Barcelona

14.03.2024
Pablo Castaño
Wahlkampfplakat von Ada Colau für die Kommunalwahlen in Barcelona im Mai 2023.

Die Kommunal- und Regionalwahlen in den autonomen Regionen im Mai 2023 haben in den meisten Teilen Spaniens zu einem Rechtsruck geführt. So auch in Barcelona: Die extreme Mobilisierung der wohlhabendsten Viertel und die Wahlflaute der Partei Barcelona en Comú (Barcelona gemeinsam), mit der Ada Colau die Stadt seit 2015 regierte hatte, führten dazu, dass der konservative ehemalige Bürgermeister Xavier Trias an der Spitze der Unabhängigkeitspartei Junts (Zusammen) die meisten Stimmen erhielt. Colau verlor ihr Bürgermeisteramt, das sie acht Jahre lang innegehabt hatte, und ihre Partei unterstützte die Einsetzung des Sozialisten Jaume Collboni als Bürgermeister. Dieser galt im Vergleich zu Trias, der versprochen hatte, das Vermächtnis von Colaus Regierungszeit rückgängig zu machen, als kleineres Übel.

Die unerwartete Wahl der Wohnrechtsaktivistin Ada Colau zur Bürgermeisterin von Barcelona im Jahr 2015 war ein politisches Erdbeben für die Hauptstadt Kataloniens. Colau und ihre Partei setzten sich für tiefgreifende Veränderungen im städtischen und sozialen Bereich ein. Sie stießen aber auch auf starken Widerstand seitens der politischen und wirtschaftlichen Eliten und sahen sich mit den Grenzen der kommunalen Institutionen im spanischen Staat und mit parteipolitischen Widersprüchlichkeiten konfrontiert. Barcelona en Comú, eine damals neu gegründete Wahlplattform, konnte sich nach der Kommunalwahl 2015 etablieren, als mehrere linke Koalitionen aus Politikschaffenden und Aktivist:innen sozialer Bewegungen in spanischen Großstädten an die Macht kamen.

Im vorliegenden Artikel werden die Spuren, die die Regierungen Colaus (2015–2023) in verschiedenen Bereichen der städtischen Politik hinterlassen haben, erläutert. Dabei wird aufgezeigt, in welchen Bereichen nachhaltige Veränderungen vorangetrieben wurden (z. B. in der Stadtplanung, der Wohnungspolitik und der Frauenpolitik) und in welchen Bereichen der Wandel weniger spürbar war (z. B. in der Sicherheitspolitik). Außerdem wird der Fall Barcelonas vor dem Hintergrund der Welle des Munizipalismus in den Jahren 2015 bis 2019 betrachtet und es werden die organisatorischen Besonderheiten von Barcelona en Comú sowie die Verbindungen dieser Partei zu den sozialen Bewegungen der Stadt analysiert. Barcelona ist die einzige europäische Großstadt, in der es der transformativen Linken gelungen ist, nach größeren Massenmobilisierungen ab 2011 für zwei Legislaturperioden eine Regierung zu stellen. Anhand der Analyse dieses Falles werden die Möglichkeiten und Grenzen der Kommunen als Raum für politische Veränderungen aufgezeigt und Schlussfolgerungen gezogen, die für andere Kräfte des Munizipalismus von Nutzen sein können.

 

Die Welle des Munizipalismus von 2015 bis 2019

Für die spanische Politik war 2015 das Jahr des Wandels. Podemos (Wir können), die im Jahr zuvor gegründete neue Partei der transformativen Linken, erlebte einen fulminanten Aufstieg, der die traditionellen Kräfte, die konservative Partido Popular (Volkspartei – PP) und die sozialdemokratische Partido Socialista Obrero Español (Sozialistische Arbeiterpartei Spaniens – PSOE) tief beunruhigte. In Katalonien gewann derweil die Unabhängigkeitsbewegung an Stärke, und es kam zu Massendemonstrationen mit der Forderung nach einem Referendum über die Selbstbestimmung. Das spanische Establishment zitterte angesichts der Bedrohung durch das, was es als „Populismus“ und „Separatismus“ bezeichnete.

Nach dem sehr guten Ergebnis von Podemos bei den Europawahlen 2014 waren die Kommunal- und Regionalwahlen 2015 die erste große wahlpolitische Herausforderung für die Partei. Die Neuartigkeit der Partei und ihre zentralisierte Struktur (die meisten Führungsmitglieder lebten in Madrid) machten es schwierig, mit der eingespielten Maschinerie der traditionellen Parteien erfolgreich mitzuhalten. Aus diesem Grund beschloss die Partei von Pablo Iglesias, die in verschiedenen Städten entstehenden Kandidaturen von Munizipalist:innen unter Beteiligung von Aktivist:innen der sozialen Bewegungen und anderer linker Parteien zu fördern bzw. sich ihnen anzuschließen. In unterschiedlichen Zusammensetzungen und mit unterschiedlichen Namen (Ahora Madrid, Zaragoza en Común, Cádiz Sí Se Puede, Barcelona en Comú) erzielten diese Kandidaturen historische Ergebnisse in einigen der wichtigsten Städte des Landes.

Die Welle des Munizipalismus, die das ganze Land erfasste, erinnerte an den Sieg der Linken bei den ersten Kommunalwahlen nach dem Tod von Francisco Franco im Jahr 1979 oder an den Triumph der republikanischen Kandidaten in den Großstädten im Jahr 1931, der zur Ausrufung der Zweiten Republik führte. In der spanischen Geschichte spielten die Städte zu verschiedenen Zeiten eine Vorreiterrolle für den politischen Wandel. Im Jahr 2015 traf diese spanische Tradition des Munizipalismus auf die Welle der Empörung über die Finanzkrise und die Sparpolitik in Europa, eine Flut des Wandels, die Syriza in Griechenland an die Macht gebracht hatte.

Mit wenigen Ausnahmen war die Ära des Munizipalismus jedoch nur von kurzer Dauer. Die meisten linken Kandidat:innen wurden bei den Wahlen 2019 abgesetzt, was vor allem auf den Wechsel des politischen Zyklus im spanischen Staat zurückzuführen war. Zwar hatte Podemos bei den Parlamentswahlen im Jahr 2016 ein gutes Ergebnis erzielt – einen knappen dritten Platz hinter der PSOE –, doch die meisten Stimmen erhielt die PP, und ihr Vorsitzender, Mariano Rajoy, wurde dank der Enthaltung der PSOE Ministerpräsident. Im Jahr 2017 fand in Katalonien ein Unabhängigkeitsreferendum statt, das von der Regionalregierung unterstützt und von der spanischen Justiz für rechtswidrig erklärt wurde. Das Ereignis, das Millionen von Menschen mobilisierte, wurde von der spanischen Polizei mit aller Härte unterdrückt. Es folgte die strafrechtliche Verfolgung der Anführer:innen der Unabhängigkeitsbewegung, die schwerster und völlig unverhältnismäßiger Verbrechen beschuldigt wurden und im Gefängnis oder im Exil landeten.

Als Reaktion auf die Unabhängigkeitsbewegung kam es in der spanischen Politik zu einem Rechtsruck. Die Mitte-Rechts-Partei Ciudadanos (Bürger) breitete sich von Katalonien auf den Rest des Landes aus und die Unterstützung für die rechtsextreme Partei Vox (Stimme) nahm rapide zu. Die Regional- und Kommunalwahlen im Jahr 2019 markierten den Abschluss des progressiven Wahlzyklus, der mit den Europawahlen 2014 begonnen hatte. Die PP verbündete sich mit Vox, um in mehreren Regionen regieren zu können, während die Rechte in fast allen Städten, die von munizipalistischen Kandidat:innen regiert wurden, wieder an die Macht kam. Von den großen Städten hielten sich nur Barcelona und Cádiz.

In Madrid, einer traditionell konservativen Stadt, währte die progressive Regierung der ehemaligen Richterin Manuela Carmena nur vier Jahre. Carmena wurde als Kandidatin gewählt, weil sie in der Lage war, die Wählerschaft von Mitte-Links anzusprechen, und sie zeigte von Anfang an einen autoritären Führungsstil innerhalb von Ahora Madrid (Jetzt Madrid), der Plattform für die sie kandidierte und mit der sie an die Macht kam. Häufig kam es zu Auseinandersetzungen zwischen der Bürgermeisterin und ihren eher linksgerichteten Stadträt:innen, und die ehrgeizige, von Ahora Madrid vorangetriebene Transformationsagenda wurde durch die Positionen der Bürgermeisterin abgeschwächt. Bei den Wahlen im Jahr 2019 erhielt Ahora Madrid zwar die meisten Stimmen, allerdings erreichten die PP und Ciudadanos gemeinsam so viele Stimmen, dass sie die Linke aus dem Amt drängen konnten. Es wäre jedoch ungerecht, die Niederlage hauptsächlich Carmenas Fehlern zuzuschreiben. Die progressive Wende bei den Wahlen im Jahr 2015 war vielmehr eine Ausnahme in der Wahlhistorie der Hauptstadt.

In Barcelona verlief die Entwicklung ganz anders. Während die Wahlen im Jahr 2015 im Zeichen der Empörung und der Ablehnung der Sparpolitik standen, waren die Wahlen im Jahr 2019 vom „procés“, dem katalanischen Unabhängigkeitsprozess geprägt. Aufgrund ihrer Ablehnung gegenüber der Unterdrückung der Unabhängigkeitsbewegung erhielt die Esquerra Republicana de Catalunya (Republikanische Linke Kataloniens – ERC), eine für die Unabhängigkeit eintretende sozialdemokratische Partei, die meisten Stimmen. Dennoch konnte Colau ihren Bürgermeisterposten verteidigen. Dies gelang ihr dank eines Pakts mit der Sozialistischen Partei Kataloniens (Partit dels Socialistes de Catalunya – PSC), mit der sie in ihrer ersten Amtszeit zeitweise regiert hatte, und dank der Ja-Stimme des ehemaligen französischen Premierministers Manuel Valls, der mit einem liberal-konservativen und gegen die Unabhängigkeit gerichteten Diskurs zu den Kommunalwahlen angetreten war. Mit diesem umstrittenen Schritt zog Colau die Feindschaft der Unabhängigkeitsaktivist:innen und eines Teils der alternativen Linken auf sich.

Das Regierungsabkommen zwischen Barcelona en Comú (den sogenannten „Comunes“) und den Sozialisten überdauerte die gesamte Legislaturperiode, was im Vergleich zur ersten Wahlperiode eine größere Stabilität bewirkte und die Umsetzung eines Großteils des Wahlprogramms ermöglichte. Allerdings schränkte die rechtsorientierte Kontrolle durch die PSC in Schlüsselbereichen wie Wirtschaft, Sicherheit und Mobilität die transformativen Impulse von Barcelona en Comú ein und führte zu Widersprüchen, die den Kampfgeist der Partei belasteten und ihr Image als transformative Partei schwächten.

Daraus lässt sich schließen, dass Barcelona en Comú zwischen 2015 und 2019 eine stärker transformative Agenda verfolgte als Ahora Madrid. Außerdem war Colau eine weitaus radikalere Kandidatin und Bürgermeisterin als Carmena. Das liegt vor allem an der unterschiedlichen soziopolitischen Zusammensetzung der beiden Großstädte: Während in Madrid die neoliberale Rechte über Jahrzehnte hinweg die Vorherrschaft innehatte, gab es in Barcelona seit dem Beginn der Demokratie nur einen eindeutig konservativen Bürgermeister (Trias von der Unabhängigkeitspartei Junts in den Jahren 2011 bis 2015), und die Stadt verfügt im Vergleich zur spanischen Hauptstadt über ein viel stärker ausgeprägtes Gefüge von aktivistischen Vereinigungen.

Andererseits sind die politischen Unterschiede zwischen Katalonien und dem übrigen Spanien wahrscheinlich der wichtigste Faktor, welcher das unterschiedliche Schicksal der munizipalistischen Kandidaten in den beiden Städten im Jahr 2019 erklärt: Während der katalanische „procés“ für die Unabhängigkeit dazu führte, dass sich die Rechte in Madrid radikalisierte, hat die Unterdrückung eben dieses „procés“ die Unabhängigkeitsbefürworter:innen innerhalb der Wählerschaft von Barcelona mobilisiert. Barcelona en Comú hat aufgrund ihrer Position im Unabhängigkeitskonflikt an Boden verloren: Sie hat das Selbstbestimmungsrecht des katalanischen Volkes unterstützt, das im Rahmen eines Referendums zum Ausdruck gebracht wurde, ohne sich für oder gegen die Unabhängigkeit auszusprechen.
 

Die Transformation Barcelonas

Barcelona en Comú brachte eine ehrgeizige Transformationsagenda in die Stadtverwaltung ein, die alle zentralen Aspekte der kommunalen Politik umfasste. In einigen Bereichen war der Wandel jedoch aus verschiedenen Gründen sichtbarer als in anderen. Das lag erstens an der unterschiedlichen Aufmerksamkeit, die die Regierung den einzelnen Themen widmete, zweitens an der unterschiedlichen Intensität des bürokratischen oder politischen Widerstands und drittens an der ungleichmäßigen Verteilung der kommunalen Zuständigkeiten: Die Handlungsfähigkeit der spanischen Kommunen ist in einigen Bereichen (z. B. Stadtplanung) wesentlich größer als in anderen (z. B. Bildung oder Wirtschaft).

Andererseits haben sich die Prioritäten im Laufe der beiden Amtsperioden verändert. Im Mittelpunkt der ersten Amtsperiode standen die Bewältigung der sozialen Krise infolge des Finanzcrashs von 2008 und die Kürzungen von Sozialleistungen sowie spezifischere Themen wie die Verbesserung der Transparenz und der Mechanismen für die Bürgerbeteiligung in der Stadtverwaltung – zwei zentrale Forderungen des Movimiento 15-M (Bewegung 15. Mai). Diese 2011 entstandene „Bewegung der Plätze“ (movimiento de las plazas), sollte in den folgenden Jahren den Nährboden für die Entstehung von Podemos und der munizipalistischen Bewegungen bilden. In der zweiten Legislaturperiode wollten sich die „Comunes“ auf die urbane Transformation konzentrieren, um mehr Grünflächen und Fußgängerzonen zu schaffen und die Umweltverschmutzung zu verringern, aber die COVID-19-Pandemie im Jahr 2020 rückte die soziale Frage wieder in den Vordergrund und verzögerte die geplanten Großprojekte.

Wohnungsbau

Ada Colau wurde in ganz Spanien als Sprecherin der Plattform der Hypothekengeschädigten (Plataforma de Afectados de la Hipoteca – PAH) bekannt. Sie organisierte auf politischer Ebene die Reaktion auf die durch die Immobilienkrise ausgelöste Welle von Zwangsräumungen, die Familien mit niedrigem Einkommen und mit Migrationshintergrund besonders hart traf. Die 2009 gegründete PAH wurde zu einer der wichtigsten Organisationen der 2011 eingeleiteten Mobilisierung.

Das Engagement der neuen Bürgermeisterin für den Zugang zu bezahlbarem Wohnraum – einem der größten sozialen Probleme in spanischen Großstädten – führte zu einer Rekordinvestition in den Bau von Sozialwohnungen (der Bestand an Sozialwohnungen in der Stadt stieg von 7 600 Wohnungen im Jahr 2015 auf mehr als 11 000 im Jahr 2022) sowie zu innovativen Maßnahmen zur Gewährleistung des Rechts auf Wohnraum, einem der schwächsten Bereiche des spanischen Sozialstaats. Nur 2,5 % des Wohnungsbestands sind Sozialwohnungen, während der europäische Durchschnitt bei 9,3 % liegt.[1] Eine der innovativsten Maßnahmen war die Einrichtung einer Stelle zur Verhinderung von Zwangsräumungen, die zwischen Vermieter:innen und den von Zwangsräumungen bedrohten Menschen vermittelte. Dieser Vermittlungsstelle gelang es, neun von zehn Zwangsräumungen in der Stadt zu verhindern und bis 2023 mehr als 14 000 Familien zu unterstützen[2].

Es wurden auch neue Methoden getestet, um den Bestand an öffentlichem, erschwinglichem Wohnraum schneller zu erweitern, z. B. die Industriebauweise mit Schiffscontainern – eine nachhaltige Technik, die in nordeuropäischen Ländern üblich ist, in Barcelona jedoch stark kritisiert wurde. Ein wichtiges Symbol war auch eine Verordnung, wonach 30 % aller neuen Bauprojekte Sozialwohnungen sein müssen. Diese Verordnung wurde von den sozialen Bewegungen gefeiert, hat aber aufgrund der nachlassenden Bautätigkeit privater Bauträger bisher nur begrenzte Ergebnisse hervorgebracht.

Tourismus und Wirtschaft

Umfragen im Jahr 2015 zeigten, dass der Tourismus bereits eines der größten Anliegen der Bürger:innen Barcelonas war. Die Stadt zählt zu den wichtigsten Reisezielen in Europa und litt (und leidet immer noch) unter der Überlastung der Straßen, dem unerträglichen Lärm in einigen Stadtvierteln, der Umweltverschmutzung durch die riesigen Kreuzfahrtschiffe, die das ganze Jahr über im Hafen der Stadt anlegen, und vor allem unter dem Anstieg der Mietpreise infolge der zunehmenden Zahl von Ferienwohnungen. Die neue Regierung untersagte die Einrichtung neuer Ferienwohnungen in der ganzen Stadt und begrenzte die Anzahl der Hotels im Zentrum. Diese Maßnahme wurde von den wirtschaftlichen Eliten kritisiert, die den Tourismus weiterhin als Allheilmittel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit darstellen. Das Ziel des Plans, die Zahl der Ferienwohnungen zu verringern, wurde zwar erreicht, allerdings sind Einrichtungen zur Förderung des Tourismus, wie das Konsortium für Tourismus (Consorcio de Turismo, eine öffentlich-private Einrichtung mit starker unternehmerischer Präsenz) geblieben, und die Zahl der Besucher:innen ist in den Jahren der „Comunes“-Regierung weiter gestiegen. Im Januar 2024 gaben 6 von 10 Befragten[3] an, dass die Kapazitätsgrenze für die Aufnahme von Tourist:innen bald erreicht sei.

Der Tourismus veranschaulicht eines der Paradoxa der Ära Colau: Eine europäische Wirtschaftsmetropole wurde von einer Bürgermeisterin regiert, die den Neoliberalismus ablehnte und dem Kapitalismus sehr kritisch gegenüberstand. Ein Widerspruch, der manchmal zu politischen Eingeständnissen führte. Als Kandidatin war Colau gegen den Mobile World Congress (die weltweit wichtigste Mobilfunkmesse, die jährlich in Barcelona stattfindet), als Bürgermeisterin hingegen verteidigte sie die Veranstaltung. Ähnlich verhielt es sich mit dem America's Cup. Die Segelregatta wurde zwar von den sozialen Bewegungen als Großveranstaltung kritisiert, die nicht den Einwohner:innen zugutekäme, von der Stadtregierung hingegen wurde sie begeistert angenommen (in beiden Fällen handelt es sich um private Veranstaltungen, die jedoch auf die Unterstützung der Behörden angewiesen sind). Im Gegensatz dazu lehnte Colau die Bewerbung Kataloniens für die Olympischen Winterspiele entschieden ab, ein Projekt in einer von Trockenheit geprägten Region, in der es immer weniger schneit. Die katalanische Regierung verzichtete schließlich auf ihre Bewerbung.

Neben den Themen Tourismus und Großveranstaltungen bestand der große Widerspruch der „Comunes“ im wirtschaftlichen Bereich darin, dass die Wirtschaftspolitik der Stadtverwaltung während der achtjährigen Regierungszeit überwiegend in den Händen der PSC lag, einer Partei mit einem sozialen Diskurs, aber einer ausgesprochen neoliberalen Ausrichtung. Ohne absolute Mehrheit war Barcelona en Comú gezwungen, Regierungsbereiche an ihren Partner abzutreten, und die Sozialist:innen hatten ein besonderes Interesse daran, die Wirtschaftspolitik der Stadt zu lenken und ihre guten Beziehungen zu Barcelonas Elite zu pflegen.

Trotz der auf Kontinuität ausgerichteten Wirtschaftspolitik der PSC ist es den „Comunes“ gelungen, die Sozial- und Solidarwirtschaft in so unterschiedlichen Bereichen wie Wohnbaugenossenschaften und Kultur zu fördern. Darüber hinaus hat die Stadtverwaltung in der ehemaligen Fabrik Can Batlló das europaweit größte genossenschaftliche Gründerzentrum eingerichtet und damit einen für Barcelona sehr wichtigen Sektor langfristig geschützt. Die städtischen Vergabevorschriften wurden ebenfalls geändert, um soziale, ökologische und geschlechterspezifische Kriterien einzuführen, und die Beschäftigungspolitik der Stadt wurde neu ausgerichtet, um die am stärksten gefährdeten Sektoren zu berücksichtigen.

Sozialpolitik

Der Kampf gegen Ungleichheit war eines der zentralen Themen des politischen Programms der „Comunes“, als sie 2015 ins Rathaus einzogen. Die sozialen Dienste zählen zu den Hauptzuständigkeiten der spanischen Kommunen, allerdings reichen ihre Budgets und Kompetenzen eindeutig nicht aus, um die weit verbreitete Armut in Spanien zu bekämpfen. (Beispielsweise lag die Kinderarmut in Spanien im Jahr 2023[4], also in einer Zeit des Wirtschaftswachstums, bei 27,8 %).

Während der beiden Regierungsperioden von Barcelona en Comú wurde eine innovative Politik der Einkommenssicherung erprobt, indem die kommunalen Zuständigkeiten im Sinne der Position der Partei zugunsten eines universellen Grundeinkommens maximal ausgeschöpft wurden. Zwischen 2016 und 2019 wurde in der Stadt eines der wichtigsten Pilotprojekte zum Grundeinkommen in Europa durchgeführt, das Programm B-MINCOME. Aufgrund bürokratischer Widerstände und fehlender politischer Impulse seitens der Stadtregierung konnten sich diese Innovationen jedoch nicht durchsetzen. Die Grundstruktur der sozialen Leistungen hat sich nach 8 Jahren nicht wesentlich verändert und ihre durch die staatliche Gesetzgebung festgelegten ordnungsgemäßen Aufgaben und Fürsorgepflichten im Wesentlichen beibehalten.

Innovative politische Konzepte in Bereichen wie Obdachlosenhilfe und Gesundheitsversorgung einschließlich der Schaffung neuer Dienste für psychische Gesundheit und Mund- und Zahngesundheit, wurden hingegen fortgeführt. Auch hier hat die Stadtregierung ihre Kompetenzen stark ausgedehnt und versucht, die Lücken zu schließen, die das staatliche und das katalanische Gesundheitssystem hinterlassen haben, und sah sich sogar mit Beschwerden der Zahnärzt:innenkammer konfrontiert. Die Justiz schränkte schließlich den Tätigkeitsbereich des „dentista municipal“ (Anm. d. Üb.: kostenlose Zahnversorgung für Bedürftige auf Kommunalebene) ein, aber diese und andere gesundheitspolitische Maßnahmen gaben den Anstoß für Verbesserungen in der Gesetzgebung, wie z. B. das 2020 in Katalonien verabschiedete Gesetz zur öffentlichen zahnmedizinischen Versorgung. Diese erfolgreiche Dynamik der Nachahmung setzte sich in mehreren Politikbereichen fort.

Stadtplanung

Die Stadtplanung ist die Kernkompetenz der spanischen Stadtverwaltungen und der Bereich, in dem sie den größten Handlungsspielraum haben und der in Politik und Medien am intensivsten diskutiert wird. Während sozialpolitische Maßnahmen, die das Leben von Tausenden von Menschen verändern, in der Lokalpresse mitunter gar keine Beachtung finden, machen selbst kleine städtebauliche Veränderungen Schlagzeilen und lösen politische Krisen aus. In Barcelona, einer der am dichtesten besiedelten Städte Europas, die neben einer traditionsreichen Architektur auch erhebliche Probleme mit der Umweltverschmutzung hat, sind die politischen Auseinandersetzungen um die Stadtplanung besonders intensiv.

Eine der am stärksten kritisierten Handlungen Colaus war die „taktische Stadtplanung“, in deren Rahmen der städtische Raum mit provisorischen Elementen schnell umgestaltet wurde (ohne Baumaßnahmen), um beispielsweise die Fußgänger:innenzone zu erweitern. Der mediale und politische Aufschrei, der sich aus rein ästhetischen Gründen gegen solche Aktionen richtete, war überraschend. Die Rechte hatte größere Schwierigkeiten, das rasche Wachstum des Radwegenetzes der Stadt glaubhaft zu kritisieren. Dieses hatte sich zwischen 2015 und 2023 verdoppelt.

Die wichtigste städtebauliche Maßnahme der „Comunes“ waren jedoch die „Superblocks“, mit denen eine Reihe von Straßen fast vollständig vom Verkehr befreit und in Fußgänger:innenzonen umgewandelt wurden. Das erste Versuchsprojekt im Stadtteil Poblenou rief heftigen Widerstand in Medien und Politik hervor, wurde jedoch von den Anwohner:innen aufgrund der Verringerung von Umweltverschmutzung und Lärm positiv aufgenommen. Dies wiederholte sich, als das Projekt in El Ensanche, einem Stadtteil im Herzen der Stadt, umgesetzt wurde, allerdings mit größerer Intensität: Im Wahlkampf 2023 ging es vor allem um die Umwandlung einiger Hauptstraßen im Stadtzentrum in Fußgänger:innenzonen, die zuvor praktisch städtische Autobahnen waren (vor der Umgestaltung passierten täglich 350 000 Fahrzeuge den Ensanche[5]).

Der Widerstand der konservativen Opposition und des medialen Establishments wurde noch durch den Eindruck in einigen Teilen der Öffentlichkeit verstärkt, dass die Stadtverwaltung den zentralen Bereichen der Stadt mehr Aufmerksamkeit schenke als den beliebten Vierteln in den Randbezirken. Diese wählten traditionell die Sozialistische Partei, verhalfen den „Comunes“ im Jahr 2015 aber zum Sieg. Auch in den Randbezirken wurden größere Veränderungen vorgenommen (Einrichtung von Fußgänger:innenbereichen, Parkanlagen, Aufwertung des schulischen Umfelds usw.), allerdings waren diese weniger spektakulär als die Beruhigung einer der Hauptverkehrsadern der Stadt und fanden vor allem in den Medien weit weniger Beachtung.

Umwelt

Neben der Stadtplanung bewies Barcelona en Comú auch im Kampf gegen den Klimawandel eine klare Führungsrolle, wenngleich sie in einigen Fällen aus Angst vor Wahlverlusten nicht so weit ging, wie sie hätte gehen können. Während der beiden Regierungsperioden von Colau wurden die Grünflächen erweitert, die öffentlichen Verkehrsmittel verbessert und der Individualverkehr im Stadtzentrum in fünf Jahren um 17 % reduziert[6]. Dies gelang dank der Einrichtung von Fußgänger:innenbereichen und einer Umweltzone, einer Maßnahme, die bei einigen Bürger:innen für Unmut sorgte, da diejenigen Fahrzeuge mit dem höchsten Schadstoffausstoß verboten wurden. Die Recyclingquoten blieben jedoch niedrig, da der politische Wille fehlte, die generelle Abholung der Abfälle an der Haustür einzuführen (Anm. d. Üb.: im Gegensatz zur Sammlung in zentral aufgestellten Containern).

Die Abfallwirtschaft ist eine der wichtigsten kommunalen Zuständigkeiten und eine der aus politischer Sicht heikelsten. Tatsächlich war die angebliche Verunreinigung der Stadt eines der wichtigsten Wahlkampfargumente der Opposition bei den Wahlen 2023, obwohl die Reinigungsteams verstärkt worden waren. Wie auch beim Thema Sicherheit hat die politische und mediale Rechte ihre Fähigkeit unter Beweis gestellt, ein für ihre Ziele günstiges und von der tatsächlichen Entwicklung der Daten unabhängiges Meinungsbild zu schaffen (was im Übrigen die Datenbesessenheit vieler fortschrittlicher Journalist:innen und Politiker:innen in Frage stellt).

Der zentrale umweltpolitische Konflikt der Ära Colau war der geplante Ausbau des Flughafens El Prat (in einer Gemeinde nahe Barcelona), der von Arbeitgeber:innen, der spanischen Regierung und den wichtigsten Parteien – einschließlich der PSC – unterstützt wurde. Colau war die Politikerin, die sich am deutlichsten gegen den Ausbau aussprach, der sowohl die Umweltverschmutzung als auch die Belastung der Stadt durch den Tourismus erhöht und ein Naturschutzgebiet zerstört hätte. Nach Protestaktionen von Umweltschützer:innenn und Auseinandersetzungen mit der für die Unabhängigkeit eintretenden katalanischen Regionalregierung stellte die Landesregierung das Ausbauvorhaben ein. In ihren letzten Jahren als Bürgermeisterin setzte sich Colau auch dafür ein, dass die Zahl der Kreuzfahrtschiffe, die in Barcelona anlegen und eine Hauptquelle für die Umweltverschmutzung darstellen, begrenzt wird. In beiden Fällen lag die Entscheidung nicht in der Zuständigkeit der Stadt.

In den letzten Jahren von Colaus Amtszeit als Bürgermeisterin forderten Umweltbewegungen zunehmend eine Maut für die Einfahrt in die Stadt. Diese Maßnahme hätte den Individualverkehr erheblich reduziert und Ressourcen für den öffentlichen Nahverkehr freigesetzt. Die Zweifel der Stadtverwaltung angesichts möglicher Wahlverluste und die Notwendigkeit einer Einigung mit der katalanischen Regionalregierung verhinderten jedoch die Verabschiedung dieser Maßnahme, die die hohe Luftverschmutzung und Lärmbelästigung schneller reduziert hätte als die kostspieligen Baumaßnahmen, die von den „Comunes“ vorangetrieben wurden.

Feminismus und LGBTI

Feministische- und LGBTI-freundliche Politik gehörte zu den Bereichen, in denen die von Barcelona en Comú vorangetriebene Transformation am tiefgreifendsten war. Die Schaffung eines eigenen Amts innerhalb der Stadtverwaltung war der erste Schritt einer ehrgeizigen politischen Agenda, die sich parallel zur zunehmenden transfeministischen Mobilisierung auf der Straße entwickelte. Die vielleicht wichtigste Maßnahme war die interne Umgestaltung der Stadtverwaltung, die weit über die paritätische Besetzung hochrangiger politischer und fachlicher Posten hinausging: Die Stadtregierung führte eine geschlechterspezifische Betrachtungsweise in so unterschiedlichen Bereichen wie Stadtplanung, Sicherheit und Obdachlosenpolitik ein, indem sie die unterschiedlichen Folgen der politischen Maßnahmen für Frauen analysierte und sich um positive Auswirkungen auf die Gleichstellung bemühte. Darüber hinaus wurden Regelungen geschaffen, um die Beständigkeit des feministischen Wandels innerhalb der Institution zu gewährleisten, z. B. das Gender Budgeting oder die Einsetzung von Gleichstellungsbeauftragten im öffentlichen Dienst.

Die Regierung Colaus verdoppelte auch die Mittel für die Bekämpfung der von Männern ausgeübten Gewalt und für die Betreuung ihrer Opfer[7] – eines der Hauptanliegen der Frauenbewegung. Eine der großen Neuerungen in diesem Bereich war die Einrichtung einer speziellen Stelle für die Betreuung von Opfern des Menschenhandels – eine Pionierleistung in einem Land, in dem es noch kein konkretes Gesetz gegen Menschenhandel gibt. Ein weiterer Schwerpunkt im Bereich kommunaler, frauenpolitischer Maßnahmen war die sogenannte Pflegepolitik, die vor 2015 praktisch nicht existierte. Es wurde ein Zentrum eingerichtet, um den Bedürfnissen pflegebedürftiger Menschen und professioneller Pflegekräfte, bei denen es sich überwiegend um Migrantinnen in prekären Beschäftigungssituationen handelt, gerecht zu werden. Eines der erfolgreichsten Angebote war der städtische Kinderbetreuungsdienst, der kostenlose Betreuungsstunden für Kleinkinder anbietet, um den Müttern eine Auszeit zu ermöglichen.

Auch im Bereich der sexuellen und geschlechterspezifischen Vielfalt gab es bedeutende Veränderungen: Es wurde ein von Verbänden verwaltetes LGTBI-Zentrum eingerichtet, das psychologische und rechtliche Beratung anbietet und kulturelle Inhalte im Zusammenhang mit der sexuellen Vielfalt fördert. Weniger bekannt, aber vielleicht umso bedeutender ist der Dienst Transocupació, der eine spezielle Berufsberatung für Transgender-Personen anbietet, eine Gruppe, die unter einer sehr hohen Arbeitslosenquote leidet. Eine stärkere Dezentralisierung der LGTBI-Politik in den Stadtvierteln steht noch aus. Ada Colau setzte sich bei vielen Gelegenheiten mit großer Leidenschaft und Symbolkraft für LGBTI-Rechte ein und trug so dazu bei, dass dieses Thema vor dem Hintergrund des Erstarkens der extremen Rechten ins Blickfeld rückte.

Bürger:innenbeteiligung

Die Forderung nach einer stärkeren politischen Beteiligung der Bürger;innen war eines der Leitmotive des Movimiento 15-M und auch der Amtszeiten von Colau. Barcelona wurde zu einem internationalen Vorbild, mit Meilensteinen wie der Schaffung der freien Softwareplattform für digitale Teilhabe Decidim, die von Regierungen und Organisationen auf der ganzen Welt genutzt wird. Außerdem verfügte die Stadt zum ersten Mal über einen Bürger:innenhaushalt, der es Bürger:innen ermöglichte, direkt über die Verwendung eines Teils der kommunalen Investitionen zu entscheiden, so wie es beispielsweise auch in Porto Alegre üblich ist.

Darüber hinaus wurde ein neues Modell der öffentlich-gemeinschaftlichen Verwaltung von Gemeingütern geschaffen, das die Verwaltung von gemeindeeigenen Flächen durch Verbände zu Zwecken des Gemeinwohls ermöglicht. Das ehemalige Industriegelände Can Batlló, das 2011 von den Bewohner:innen besetzt wurde, um es wieder für soziale Zwecke zu nutzen, ist das anschaulichste Beispiel für diese neue Politik, die die lange Tradition der gemeinschaftlichen Verwaltung städtischer Gebäude in Barcelona fortführt.

Sicherheit und Zusammenleben

Die Sicherheitspolitik ist eine Herausforderung, an der viele linke Regierungen gescheitert sind. Eines der jüngsten Beispiele ist das von Gabriel Boric in Chile, den der Druck der Medien und der Politik dazu gebracht hat, hinsichtlich der Bestrafung von Straftaten eine Position einzunehmen, die weit von der Tradition der Linken entfernt ist. Auch die Gemeinden, die in Spanien für die lokale Polizeiarbeit zuständig sind, können sich diesem Druck nicht entziehen. Im Fall von Barcelona en Comú lässt sich eine Entwicklung erkennen von der ersten Amtszeit (als sie allein regierte), in der die Verantwortung für die Sicherheitspolitik einer für ihre fortschrittlichen Positionen bekannten Person übertragen wurde, zur zweiten Amtszeit, als das Bündnis mit der PSC dazu führte, dass die lokale Polizei einem eindeutig konservativen Mitglied des Stadtrats unterstellt wurde. Während der ersten Amtszeit wurden fortschrittliche Maßnahmen wie die bürgernahe Polizeiarbeit gefördert, während in der zweiten Amtszeit der für die Sicherheit zuständige sozialistische Stadtrat Maßnahmen durchführte, die von den sozialen Bewegungen als rassistisch bezeichnet wurden, wie z. B. Razzien gegen Manteros (Migrant:innen, die zumeist keine Papiere haben und illegal Waren auf der Straße verkaufen) oder gemeinsame Operationen mit der Nationalpolizei, die damit endeten, dass nicht ordnungsgemäß angemeldete Migrant:innen in Hafteinrichtungen festgehalten wurden.

Die Entscheidung, den Bereich Sicherheit an die Sozialisten abzutreten, hing wahrscheinlich mit den massiven Medienkampagnen gegen die „Comunes“ zusammen. Jahrelang verbreiteten die Medien die Botschaft, Barcelona sei aufgrund der Nachlässigkeit Colaus im Umgang mit der Kriminalität und insbesondere mit Hausbesetzungen zu einer gefährlichen Stadt geworden (letzteres ist ein quantitativ gesehen nebensächliches Phänomen, das jedoch von der politischen und medialen Rechten zu einer nationalen Notfallsituation hochstilisiert wurde). In den Monaten vor den Wahlen 2023 hat die Presse das Thema Kriminalität natürlich verstärkt aufgegriffen, auch wenn die Zahl der Straftaten rückläufig waren.

In der Legislaturperiode zwischen 2019 und 2023 reagierte die Stadtverwaltung auf den Druck, indem die Zahl der Neueinstellungen bei der Polizei erhöht, und härtere Strafen im Falle von Wiederholungstaten bei Bagatelldelikten anordnet wurden, während die Bürgermeisterin eine progressive Haltung gegenüber Stigmatisierungsversuchen von Migrant:innen sowie Menschen anderer ethnischer Herkunft vertrat. Wie so oft haben die Bemühungen der Linken um die Sicherheit nicht das erwartete Wahlergebnis gebracht – wahrscheinlich hat dieses Thema viel mit der Niederlage von 2023 zu tun.

Die Bewältigung der Pandemie

Der Ausbruch der COVID-19-Pandemie Anfang 2020 brachte alle Pläne der Stadtregierung von Barcelona und auch aller anderen Verwaltungsbehörden durcheinander. Die Stadtverwaltungen standen angesichts des gesundheitlichen Notstands und der sozioökonomischen Krise, die durch die Ausgangssperre verursacht wurde, an vorderster Front. In Zusammenarbeit mit den katalanischen Gesundheitsbehörden richtete die Stadtverwaltung ein Netzwerk von „Gesundheitshotels“ (hoteles de salud) ein, in denen Menschen aufgenommen wurden, die sich zu Hause nicht richtig isolieren konnten, und verteilte Lebensmittel an ältere Menschen, damit diese ihre Wohnungen nicht verlassen mussten.

Zur Gesundheitskrise gesellte sich bald eine soziale Katastrophe: Tausende von Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen, die von den von der Regierung geschaffenen Sicherungssystemen ausgeschlossen waren, standen von heute auf morgen ohne finanzielle Mittel da. Während nachbarschaftliche Netzwerke zur Verteilung von Lebensmitteln entstanden, errichtete die Stadtverwaltung in einer beispiellosen Gemeinschaftsaktion mit der Armee in Rekordzeit Pavillons zur Unterbringung von Obdachlosen. Ehrgeizige Projekte zur Umgestaltung der Stadt wurden verschoben und vorübergehend durch „taktische städtebauliche Maßnahmen“ ersetzt, die auf die Erweiterung der Fußgänger:innenbereiche abzielten.

Die COVID-Krise zwang die starre Verwaltung in Barcelona, sich für einige Monate zu transformieren. In einer Stadt, die vom Thema Stadtplanung besessen war, traten nun soziale Belange in den Vordergrund. Die strikte Aufteilung der Zuständigkeiten und Hierarchien verschwamm, und gemischte Arbeitsgruppen widmeten sich der Lösung der schwerwiegenden Probleme, die tagtäglich auftauchten, wie z. B. der Beschaffung von Masken und Schutzausrüstung für den städtischen Altenpflegedienst, denn diese Gruppe war am stärksten von dem Virus betroffen.

Der übliche bürokratische und politische Widerstand gegenüber Innovationen wurde aufgeweicht und ermöglichte die Umsetzung von Maßnahmen, die bis dahin unmöglich erschienen. Die Stadtverwaltung eröffnete ohne Widerstände ein Wohnzentrum für suchtkranke Obdachlose und ein weiteres für Jugendliche (mehrheitlich zugewanderte Jugendliche ohne erwachsene Bezugspersonen, eine von der Rechten besonders stigmatisierte Gruppe). Außerdem wurde ein COVID-Fonds für wirtschaftliche Soforthilfe eingerichtet, der mehr als 30 000 Familien in der Stadt erreichte (nach einer vom Grundeinkommen abgeleiteten Logik, die nicht auf Sozialleistungen basiert), und es wurde eine Vereinbarung mit den Vermieter:innen von Ferienwohnungen erzwungen, um diese Menschen in Wohnungsnot zur Verfügung zu stellen.

Während der COVID-Pandemie wurde in Barcelona Naomi Kleins These der „Schockdoktrin“ ins Gegenteil verkehrt: Der Notstand stärkte die Kraft einer progressiven Regierung, Veränderungen vorzunehmen, von denen einige dauerhaft waren. Bestimmte taktische städtebauliche Maßnahmen wurden zur Dauereinrichtung, die Terrassen der Lokale verdrängten endgültig die Parkplätze, die neuen Zentren für Obdachlose erhielten einen festen Platz, und die Lehren, die aus dem COVID-Fonds gezogen wurden, dienten dazu, den bürokratischen Aufwand in anderen Bereichen der Sozialhilfe zu verringern.

 

Barcelona en Comú – eine Partei, die anders ist?

Ein politisches Puzzle, geeint unter der Führung von Colau

Barcelona en Comú entstand im Jahr 2015 infolge der Umbenennung der im Jahr zuvor gegründeten „Guanyem“-Kandidatur. Damals wurde die Organisationsform in der spanischen Linken breit diskutiert: Unter dem Schlagwort der „neuen Politik“ bekundeten die führenden Köpfe von Podemos und der munizipalistischen Kandidaturen ihre Absicht, die traditionelle Parteiform überwinden zu wollen. Diese wurde mit der Korruption in Verbindung gebracht, die das politische Zweiparteiensystem zersetzte. Stattdessen sollten die Prinzipien der Horizontalität des Movimiento 15-M Anwendung finden.

In dieser Debatte spielte Barcelona en Comú eine andere Rolle als Podemos. In der Partei Barcelona en Comú wurden nie öffentliche Vorwahlen durchgeführt, wie sie in den Anfängen der von Pablo Iglesias gegründeten Partei Podemos praktiziert wurden und die zwar anfangs Zehntausende von Menschen mobilisierten, sich aber bald zu einem System der Volksabstimmung über die Entscheidungen der Parteispitze entwickelten. Die „Comunes“ hingegen führten interne Abstimmungen ein, die eher denen der traditionellen Parteien ähneln, sowie unverbindliche Partizipationsmechanismen, wie z. B. „Anhörungen“, in deren Rahmen die Kandidatin Parteiaktivist:innen befragte, um ihre Wahlliste zu erstellen.

Die 2015 vereinbarte Struktur wurde mit wenigen Änderungen beibehalten. Dadurch wurden große Enttäuschungen wie jene der Podemos-Aktivist:innen, denen eine von den Versammlungen des 15. Mai inspirierte Organisation versprochen wurde und die sich schließlich in einer Partei wiederfanden, die ebenso vertikal aufgebaut war wie die Parteien, die im 19. Jahrhundert gegründet worden waren. Auch wenn es in den fast 10 Jahren nach der Gründung von Barcelona en Comú zu Spaltungen und Enttäuschungen gekommen ist, so ist die Situation doch weit entfernt von der Abwanderung der Parteimitglieder, die Podemos erlebt hat.

Mit wenigen Ausnahmen ist es der Partei gelungen, den Zusammenhalt der verschiedenen Strömungen, aus denen sie hervorgegangen ist, aufrechtzuerhalten. Dazu gehören einerseits Mitglieder der Initiative für Kataloniens Grüne (Iniciativa per Catalunya Verds – ICV, der Nachfolgepartei der ehemaligen Sozialistischen Einheitspartei Kataloniens, der Partit Socialista Unificat de Catalunya, die in den 1930er-Jahren Sozialisten und Kommunisten vereinte) und andererseits Aktivist:innen aus verschiedenen Bewegungen, von denen viele eine politische Kultur vertreten, die der Parteipolitik feindlich gesonnen ist. Den „Comunes“ ist es auf wirksame Weise gelungen, die Erfahrung postkommunistischer Aktivist:innen, die an die Verhandlungen und den Rückzug aus der institutionellen Politik gewöhnt sind, mit dem transformativen Antrieb von Aktivist:innen sozialer Bewegungen zu verbinden, die sich im Straßenprotest wohler fühlen als in den Büros einer Institution. Während die wichtigsten Organisationen der „neuen Politik“ Spaniens in Prozessen brudermörderischer Zerstörung, die quasi live im Fernsehen übertragen wurden, auseinandergerissen wurden, hat Barcelona en Comú die unvermeidlichen internen Streitigkeiten auf fast wundersame Weise im Griff behalten.

Einer der Hauptgründe für diese Sonderstellung ist die unbestrittene Führungsrolle von Ada Colau. Neben ihrer Erfahrung als Aktivistin und ihren kommunikativen Fähigkeiten bewegt sie sich mit beachtlichem Geschick in den stürmischen Gewässern der institutionellen Politik, ohne dabei den Transformationsanspruch zu vergessen, mit dem sie 2015 das Bürgermeister:innenamt errungen hat. Gleichzeitig ist sie jedoch auch bereit, kontroverse Entscheidungen zu treffen, um an der Macht zu bleiben. Eine der schwierigsten Entscheidungen war zweifellos die Annahme der Stimmen von Manuel Valls, durch die sie 2019 Bürgermeisterin werden konnte. Dies bedeutete, dass die „Comunes“ in der öffentlichen Wahrnehmung ihre bislang neutrale Position im Konflikt um die Unabhängigkeit Kataloniens verloren, indem sie verhinderten, dass der Unabhängigkeitsbefürworter Ernest Maragall Bürgermeister wurde. Die Entscheidung war zwar das Ergebnis einer parteiinternen Abstimmung, doch Colaus Einfluss war dafür entscheidend.

Colau war das Bindeglied, das die Partei zusammenhielt, und das öffentliche Gesicht des politischen Projekts der „Comunes“. Auch auf nationaler und internationaler Ebene hatte Colau eine beachtliche Strahlkraft, indem sie sich über Barcelona hinaus für die Verteidigung des Rechts auf Wohnraum und für den Kampf gegen den Klimawandel einsetzte. Sie zog von Anfang an den Hass der Eliten auf sich, die es nicht ertragen konnten, dass eine Frau aus dem Volk und mit einer Vergangenheit als Aktivistin das Bürgermeisteramt in Barcelona übernahm. Meinungsumfragen zufolge hat ihr Image in den letzten Jahren erheblich gelitten. Dies ist auf die Widersprüche zurückzuführen, mit denen sie sich als Bürgermeisterin über Jahre hinweg konfrontiert sah, und die heftigen Medien- und Justizkampagnen, die gegen sie geführt wurden.

In der Tat ist Barcelona ein Lehrbuchfall für sogenannte Lawfare, juristische Kriege, unter denen progressive Regierungen oder Parteien leiden müssen. Zu den bekanntesten Fällen zählen die Amtsenthebung der brasilianischen Präsidentin Dilma Rousseff im Jahr 2016 und die Versuche der Generalstaatsanwaltschaft von Guatemala, die Amtseinführung des gewählten Präsidenten Fernando Arévalo im Jahr 2023 zu verhindern. Podemos wurde über Jahre hinweg von der Justiz in eklatanter Weise verfolgt. Noch gravierender war der Fall der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung, die nicht von privaten Akteur:innen, sondern vom spanischen Staat zu Unrecht verfolgt wurde. Zwischen 2015 und 2023 erhielten die Stadtverwaltung von Barcelona, ihre Bürgermeisterin und viele ihrer Stadträt:innen eine ganze Flut von Beschwerden und Anklagen für alle erdenklichen Handlungen. Unter den Klägerinnen waren konservative Parteien, Investmentfonds, Spekulanten und sogar Briefkastenfirmen, die angeblich von einem multinationalen Unternehmen gegründet worden waren. Die Klagen wurden zwar ad acta gelegt, aber jede einzelne zog eine entsprechende Welle von Schlagzeilen und Berichten nach sich. Wenn Klagen abgewiesen wurden, war das Medieninteresse wesentlich geringer. Es ist anzunehmen, dass durch Lawfare nicht nur bestimmte kommunalpolitische Maßnahmen verhindert wurden, sondern auch das Ansehen und Vertrauen in die Ehrlichkeit der „Comunes“ und ihrer Vorsitzenden Schaden genommen hat – ein besonders heikles Thema für eine Partei der so genannten „neuen Politik“.

Die Zukunft von Colau war nach ihrer Wahlniederlage im Jahr 2023 eines der meistdiskutierten Themen. Wie die lateinamerikanische Linke nur allzu gut weiß, sind außergewöhnliche Führungspersönlichkeiten oft der Schlüssel zum Durchbrechen politischer Trägheit und zur Übernahme der Macht durch die radikale Linke. Doch wenn diese Personen abgelöst werden müssen, kann dies ein immenses Problem darstellen, das politische Projekte gefährden kann. Der Ehrenkodex von Barcelona en Comú sieht vor, dass eine Person grundsätzlich nur maximal zwei Amtsperioden (acht Jahre) hintereinander ein öffentliches Amt bekleiden darf. Es besteht jedoch die Möglichkeit einer Ausnahmegenehmigung für ein drittes Mandat. Colau hat diese Ausnahmegenehmigung von den Mitgliedern ihrer Partei erhalten, so dass sie 2023 erneut kandidieren konnte. Nach der Wahlniederlage erwarteten viele, dass sie als Parteivorsitzende zurücktreten würde, doch im Januar 2024 kündigte sie ihre Absicht an, im Stadtrat zu bleiben, zunächst als Mitglied der Opposition. Dies zeigt, wie schwierig es ist, einen gleichwertigen Ersatz für Colau zu finden. Eine vierte Kandidatur Colaus im Jahr 2027 würde die Abkehr vom Grundsatz des Rotationsprinzip der Ämter symbolisieren, einem der Hauptmerkmale der „neuen Politik“, die Spaniens institutionelles Gefüge verändert hat.

Partei, Stadtverwaltung und soziale Bewegungen

Der starke interne Zusammenhalt von Barcelona en Comú lässt sich auch dadurch erklären, dass die Partei praktisch seit ihrer Gründung an der Regierung beteiligt war – die Besetzung institutioneller Ämter ist eine der wirksamsten Methoden, um eine Partei zusammenzuhalten. Die lange Regierungszeit hat es Barcelona en Comú ermöglicht, ihr politisches Programm in weitaus größerem Umfang zu verwirklichen als die anderen munizipalistischen Kandidaturen in Spanien. Allerdings musste Barcelona en Comú dafür in organisatorischer Hinsicht auch einen gewissen Preis zahlen: Die oberste politische Führung war nämlich im Stadtrat (vor allem im Bürgermeisteramt) angesiedelt, während die Parteiorgane nur wenig politisches Gewicht hatten. Es ist noch offen, ob das Ausscheiden aus der Stadtregierung die Parteigremien stärken wird oder ob die Stadträtinnen und Stadträte auch in der Opposition faktisch die politische Macht der Partei ausüben werden.

Schließlich ist die enge Verbindung von Barcelona en Comú mit verschiedenen sozialen Bewegungen der Stadt hervorzuheben. Diese ist breiter und vielfältiger als bei anderen munizipalistischen Kandidaturen. Wie bereits erwähnt, herrscht in Barcelona im Vergleich zu Madrid oder anderen Städten eine viel stärker ausgeprägte basisdemokratische Tradition. Der neuen Partei war es gelungen, Aktivist:innen aus einem breiten Spektrum von Bewegungen anzusprechen, darunter Plattformen für Wohnrecht Umwelt, Frauen und Gewerkschaften. Die Tatsache, dass in der Stadtverwaltung so viele Aktivist:innen vertreten waren, begünstigte eine Phase der Zusammenarbeit zwischen den gesellschaftlichen Strukturen und der Institution. Die Kritik der Bewegungen an der unvermeidlichen Enttäuschung einiger der Erwartungen, die an die beiden Regierungsperioden von Colau gestellt wurden, hielt aber an. Konfliktreicher waren die Beziehungen zu den Bewegungen, die während der zweiten Amtszeit (2019–2023) entstanden, wie z. B. einige Bürger:inneninitiativen in den Stadtteilen, die sich für das Recht auf Wohnen einsetzten (in einigen Fällen mit anarchistischer Ausrichtung oder mit Verbindungen zur für die Unabhängigkeit eintretenden Linken) und die häufig gegen die Einschränkungen der städtischen Sozial- und Wohnungspolitik protestierten.

 

Lehren

Eine Untersuchung der Erfahrungen von Barcelona en Comú ermöglicht es uns, einige Schlussfolgerungen zu ziehen, die über den konkreten Kontext Barcelonas hinaus auch für andere munizipalistische politische Bewegungen von Nutzen sein können.

Die Macht der Eliten

Das politische, wirtschaftliche und mediale Establishment in Barcelona konnte niemals eine Partei wie Barcelona en Comú an der Regierung akzeptieren, und es tat alles in seiner Macht Stehende, um die „Comunes“ zu verdrängen, einschließlich Medienkampagnen und einem juristischen Krieg, der die Glaubwürdigkeit von Colau und ihrer Partei schwächte. Im Jahr 2023 schlossen sich die nationalistischen und die für die Unabhängigkeit eintretenden Rechten zusammen, um die Kandidatur von Trias zu unterstützen. Indem sie Trias während des Wahlkampfs als Hauptziel ihrer Angriffe wählten, trugen die „Comunes“ indirekt zur Stärkung seiner Kandidatur bei und unterschätzten die Fähigkeit der konservativen Kreise, ihre Differenzen zu überwinden und ihre Stimmen auf einen Kandidaten zu vereinen. Selbst wenn sie führende Positionen auf institutioneller Ebene innehaben, werden transformative munizipalistische Vorhaben immer auf den aktiven Widerstand der Eliten stoßen und müssen die notwendigen Allianzen mit Akteuren wie sozialen Bewegungen, anderen linken Parteien und kritischen Medien aufbauen und pflegen, um dem entgegenzutreten.

Balanceakt bei den Wahlen

Das Wahlbündnis, das Colau 2015 an die Macht brachte, war ein Bündnis aus Mittelschicht, Kleinunternehmer:innen und Arbeitertum. Dieser Wähler:innenstamm veränderte sich im Laufe der acht Jahre ihrer Amtszeit als Bürgermeisterin, und die Mittelschicht machte schließlich einen größeren Anteil der Wählerschaft der „Comunes“ aus. Diese Veränderung in der Wahlallianz (welche zum Teil auf den Wiederaufstieg der Sozialistischen Partei in der Bevölkerung zurückzuführen ist) hatte zur Folge, dass Barcelona en Comú in ihrer Kommunikation zunehmend die öffentliche Politik hervorhob, die von der Mittelschicht befürwortet wird, z. B. im Bereich der Bildung oder der Stadtplanung. Soziale Themen, die auf die Arbeiter:innenklasse abzielen, fanden weniger Beachtung. Zum einen, weil es schwierig war, die Aufmerksamkeit der Medien auf diese politischen Maßnahmen zu lenken, und zum anderen, weil sie als weniger attraktiv für Wähler:innen angesehen wurden. Es sind jedoch gerade die sozialen Themen, verbunden mit einem kritischen anti-elitären Diskurs, die es Barcelona en Comú ermöglichen, sich von anderen als progressiv geltenden Parteien abzuheben. Durch einen eher auf die Mittelschicht ausgerichteten und wenig kritischen Diskurs verloren die „Comunes“ Differenzierungsmerkmale gegenüber ihren direkten Konkurrenten bei den Wahlen. Dieses Beispiel zeigt, dass munizipalistische Projekte in einem schwierigen Spannungsfeld zwischen rein wahltaktischen Überlegungen und der Wahrung ihrer Identität als transformative Kraft bestehen müssen.

Autonomie der Partei gegenüber der Stadtverwaltung

Die Machtkonzentration in den Händen der Bürgermeisterin und der Ratsmitglieder zwang der gesamten Partei eine institutionelle Handlungslogik auf. Die Parteiorgane hätten mehr Entscheidungsbefugnis haben müssen, z. B. durch die Festlegung der Prioritäten der öffentlichen Politik und der Bündnispolitik mit anderen politischen Gruppierungen unabhängig vom Regierungsteam. Darüber hinaus hätte eine ausgewogenere Machtverteilung zwischen den Ratsmitgliedern und den Parteiorganen es ihnen vielleicht ermöglicht, besser mit dem Verlust des Bürgermeister:innenamtes umzugehen – durch einen Parteialltag, der weniger an die Stadtverwaltung gebunden ist. Dies gilt beispielsweise für die Beziehungen zu den sozialen Bewegungen, die nicht von der Stadtverwaltung unterstützt werden, bis hin zu Fortbildungsaktivitäten und theoretischen Überlegungen.

Das Thema Führung ist ein ungelöstes Problem der Linken

Barcelona en Comú ist eine Partei, die in hohem Maße von der Führung durch Ada Colau abhängig ist, da sie in den Jahren ihrer Regierungszeit viel Macht angehäuft hat. Die Abhängigkeit von ihr als Leitfigur ist eine Schwäche für den langfristigen Fortbestand des politischen Projekts, und die Frage der Nachfolge ist noch nicht geklärt. Es ist besorgniserregend, dass es nach so vielen Erfahrungen mit linken Parteien diesseits und jenseits des Atlantiks, die mit dem Problem der übermäßigen Abhängigkeit von charismatischen Führungspersönlichkeiten zu kämpfen haben, immer noch so schwierig ist, dieses Problem innerhalb der Organisationen gemeinsam zu diskutieren und zufriedenstellende Lösungen zu finden.

Der Fluch der Erwartungen

Der Umgang mit den Erwartungen ist eine der größten Herausforderungen für eine linke Partei, die zum ersten Mal an die Macht kommt. Ohne Optimismus und Euphorie können diese Parteien nicht gewinnen. Wenn aber zu hohe Erwartungen geweckt werden, trifft sie die Enttäuschung härter als die traditionellen Parteien. Die „Comunes“ litten während ihrer ersten Amtszeit unter den Auswirkungen überzogener Erwartungen, was zwischen 2019 und 2023 in einigen Bereichen zu einer übermäßig vorsichtigen Haltung führte. So wirkte sich beispielsweise die Angst, eine ambitionierte öffentliche Politik vorzuschlagen, ohne vorab ihre praktische Durchführbarkeit zu kennen, hinderlich auf den Wahlkampf 2023 aus. Wäre die Partei unabhängiger von der Stadtverwaltung gewesen, wäre auch ihr programmatischer Ehrgeiz sicherlich größer gewesen, da sie über die engen Grenzen dessen, was in einer Institution möglich ist, hinausgedacht hätte.

 

Mit Verwaltungspolitik lassen sich keine Wahlen gewinnen

Unter Ada Colau wurde eine transformative politische Agenda entwickelt, wie sie Barcelona seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt hat, und der Wahlkampf 2023 konzentrierte sich darauf, diesen Wandel zu erklären, insbesondere in der Stadtplanung. Das Beispiel Barcelonas zeigt jedoch, dass man mit Verwaltungspolitik allein keine Wahlen gewinnen kann, vor allem nicht auf lokaler Ebene, wo die Bürger:innen oft gar nicht wissen, welche Zuständigkeiten welcher Verwaltungsebene zuzuordnen sind und viele politische Maßnahmen auf bestimmte Gruppen ausgerichtet sind (wie etwa die kommunale Sozialpolitik). Infolgedessen wird der Ausgang einer Wahl oft von Faktoren bestimmt, die nicht unmittelbar mit der Stadt zu tun haben (z. B. die Unabhängigkeitsdebatte), und entscheidet sich in Diskussionen über diejenigen Politikbereiche, die allgemein als Zuständigkeit der Stadtverwaltung angesehen werden: Stadtplanung, Abfallwirtschaft und Sicherheit. Da es schwierig ist, Wahlen zu gewinnen, indem man nur die eigene Verwaltungspolitik erklärt, brauchen transformative Parteien wie Barcelona en Comú Strategien, um die emotionale Unterstützung ihrer Wähler:innenschaft aufrechtzuerhalten. Dazu gehört vor allem ein kritischer Diskurs, der der populistischen Argumentation folgt und die Macht der Eliten (Immobilien- und Finanzlobbys, große Stromkonzerne...) aufzeigt.

Auf die Teams kommt es an

Die Interessen und politischen Schwerpunktbereiche der führenden Politiker:innen bestimmen weitgehend die Prioritäten der politischen Maßnahmen. Es ist kein Zufall, dass der Stadtrat eine wegweisende und ehrgeizige Wohnungsbaupolitik verfolgte, während das politische Projekt in den klassischen Bereichen der Wirtschaftspolitik, wie z. B. der Förderung bestimmter Industriezweige, des Handels oder der Beziehungen zu kleinen Unternehmen, aufgrund des Mangels an spezialisierten Fachleuten in diesem Bereich vergleichsweise schwach ausgeprägt war. (Die relative Schwäche der „Comunes“ im Bereich der Wirtschaft trifft auch auf andere linke Organisationen zu, denen es nach Jahrzehnten des Neoliberalismus schwerfällt, konkrete wirtschaftliche Alternativen zu formulieren). Um dem entgegenzuwirken, ist eine ausgewogene Zusammensetzung der politischen Teams, in denen unterschiedliche Fachgebiete vertreten sind, von entscheidender Bedeutung.

Stadtverwaltung und soziale Bewegungen

Der Eintritt vieler Aktivist:innen in die Regierung der „Comunes“ hatte den indirekten Effekt, dass die Bewegungen, in denen sie sich engagierten, geschwächt wurden, auch wenn die aktivistische Struktur im Allgemeinen wiederhergestellt werden konnte. Sobald sie an der Macht waren, profitierten die Regierungen Colaus von dem Wissen und den Vorschlägen der sozialen Bewegungen. In einigen Fällen gerieten sie auch unter Druck, wenn auch in deutlich geringerem Maße als Regierungen anderer politischer Ausrichtungen. Es kam jedoch weder zu einer allgemeinen Deaktivierung der Bewegungen noch zu ihrer Vereinnahmung durch die Stadtverwaltung. Entscheidend ist, dass die Autonomie der Bewegungen in den acht Jahren erhalten geblieben ist, denn der Motor für einen langfristigen politischen Wandel sind die Bewegungen und nicht die Parteien.

 

Pablo Castaño ist Journalist und hat an der Universitat Autònoma de Barcelona in Politikwissenschaften promoviert. Er war vier Jahre lang (2019–2023) in der Stadtverwaltung von Barcelona tätig, zunächst als Kabinettschef des Büros des zweiten Bürgermeisters für soziale Rechte, globale Gerechtigkeit, Feminismus und LGTBI und dann im Regierungskoordinationsteam des Bürgermeister:inbüros. Er war Mitglied im Wahlkampfausschuss für die Wahlen im Jahr 2023. Derzeit arbeitet er mit verschiedenen Medien zusammen und lehrt an der Universitat Autònoma de Barcelona (UAB) in den Studiengängen Journalismus, Politikwissenschaft und Internationale Beziehungen.

 

[1] Observatorio de Vivienda y Suelo (2020), Boletín especial Vivienda Social 2020, abrufbar unter https://web.archive.org/web/20231024190601/https://apps.fomento.gob.es/CVP/handlers/pdfhandler.ashx?idpub=BAW072 (20. Februar 2024).

[2] Ayuntamiento de Barcelona (2021), „Barcelona para 9 de cada 10 desahucios en la ciudad“. Abrufbar unter Barcelona para 9 de cada 10 desahucios en la ciudad | Vivienda (habitatge.barcelona) (20. Februar 2024).

[3] Langa Sebastià, Pol (2024), 6 de cada 10 vecinos considera que Barcelona ha llegado al límite para asumir turismo. Abrufbar unter 6 de cada 10 vecinos considera que Barcelona ha llegado al límite para asumir turismo - El Periódico (elperiodico.com) (20. Februar 2024).

[4] Plataforma de Infancia (2023), Análisis de la encuesta de condiciones de vida con enfoque de infancia 2023. Abrufbar unter Análisis de la encuesta de condiciones de vida con enfoque de infancia 2023 (plataformadeinfancia.org) (20. Februar 2024).

 

[5] Solans, Maria (2023). El trànsit a les vies d’accés a Barcelona s’ha reduït un 11% en vuit anys, segons l’Ajuntament. Abrufbar unter El trànsit als accessos Barcelona s'ha reduït un 11 % (beteve.cat) (20. Februar 2024).

[6] Vicente, Sandra (2023), Barcelona ha reducido un 17% el tráfico en el centro de la ciudad en los últimos cinco años. Abrufbar unter Barcelona ha reducido un 17% el tráfico en el centro de la ciudad en los últimos cinco años (eldiario.es) (21. Februar 2024)

[7] Álvarez Fonseca, Kelsey (2021). Barcelona amplía un 54% las plazas de acogida para mujeres víctimas de violencia machista. Abrufbar unter Barcelona amplía las plazas para acoger a víctimas del machismo | Día contra la Violencia de Género (elperiodico.com) (20. Februar 2024)